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Demonstration mit Kundgebung zur Thematik "Musizieren statt Betonieren" am 18.05.2025 auf der A 5 zwischen Auffahrt Niederrad und Abfahrt Westhafen - Ablehnung durch das Ordnungsamt

Vorlagentyp: ST Magistrat

Stellungnahme des Magistrats

Es ist ein fundamentaler Grundsatz unseres Rechtsstaates und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dass die Versammlungsbehörde bei der Ausübung ihrer Aufgaben streng neutral bezüglich des Themas oder Inhalts einer öffentlichen Versammlung zu verfahren hat. Gemäß Art. 5 des Grundgesetzes (GG) ist die Meinungsfreiheit ein hohes Gut, und das Demokratieprinzip sowie das Rechtsstaatsprinzip gebieten ein striktes Neutralitätsgebot für staatliche Organe. Eine Beurteilung oder Bewertung der Inhalte von Versammlungen würde einen Verstoß gegen dieses Neutralitätsgebot darstellen und die Grundsätze der Meinungsfreiheit sowie des Demokratieprinzips untergraben. Die Entscheidung der Versammlungsbehörde basiert ausschließlich auf versammlungsrechtlichen und sicherheitsrelevanten Erwägungen, nicht auf dem Anliegen oder der politischen Botschaft der Versammlung. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) schützt das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, um gemeinsam an Diskussionen oder Kundgebungen zur öffentlichen Meinungsbildung teilzunehmen. Es umfasst auch das Recht auf Selbstbestimmung hinsichtlich Ort, Zeit und Modalitäten der Versammlung. Dieses Grundrecht findet jedoch seine Grenzen im Schutz der Rechtsgüter Dritter und der Allgemeinheit. Gemäß Art. 8 Abs. 2 GG kann dieses Recht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden, insbesondere zum Schutz gleichrangiger anderer Rechtsgüter und unter strikter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Das Hessische Versammlungsfreiheitsgesetz (HVersFG) erlaubt Beschränkungen einer Versammlung gemäß § 14 Abs. 1, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei deren Durchführung unmittelbar gefährdet ist. Die "öffentliche Sicherheit" umfasst hierbei den Schutz individueller Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung, einschließlich straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften. Eine Beschränkung oder Untersagung setzt eine gesicherte Gefahrenprognose voraus, die auf konkreten und nachvollziehbaren tatsächlichen Anhaltspunkten beruht. Bei der Abwägung kollidierender Interessen, wie der Versammlungsfreiheit und dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, ist stets eine Herstellung praktischer Konkordanz erforderlich. Dabei muss die hohe Bedeutung der Versammlungsfreiheit berücksichtigt werden, aber auch der Schutz anderer grundrechtlich geschützter Rechtsgüter, insbesondere das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), das im Zusammenhang mit den Gefahren des Straßenverkehrs maßgeblich berührt sein kann. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat mit seinem rechtskräftigen Beschluss vom 27. September 2024 (- 8 B 1843/24 -, juris) die Gefahrenprognose der Versammlungsbehörde bei einer vergleichbaren Versammlung ausdrücklich bestätigt und ausgeführt, dass sie auf konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkten gestützt ist und eine unmittelbare Gefährdung zahlreicher Verkehrsteilnehmer begründet. Bundesautobahnen dienen primär dem weiträumigen und schnellen Kraftfahrzeugverkehr (§ 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 Bundesfernstraßengesetz). Obwohl sie nicht pauschal als "versammlungsfreier Raum" gelten, kommt den Verkehrs- und Sicherheitsbelangen auf ihnen eine grundsätzlich größere Bedeutung zu als auf innerörtlichen Straßen und Plätzen. Dieser Grundsatz wurde vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 27. September 2024 erneut bekräftigt, mit der Folge, dass das Interesse des Veranstalters an der ungehinderten Nutzung einer solchen Straße gegebenenfalls zurückzutreten hat. Die Nutzung einer Bundesautobahn für eine Demonstration ist nach der Rechtsprechung allenfalls nur in Ausnahmefällen zulässig. Der kommunikative Prozess ist bei Versammlungen auf Autobahnen grundsätzlich nur eingeschränkt möglich, da Dritte, die nicht Teil der Versammlung sind, sich nur mittelbar in Seh- und Hörweite befinden und der Versammlung nicht in dem Maße beiwohnen können, wie es auf untergeordneten Straßen der Fall wäre. Ein bloß spektakuläres Auftreten zur Erzielung von Aufmerksamkeit ist von der Versammlungsfreiheit nicht abgedeckt. Für den angemeldeten Streckenabschnitt auf der BAB 5 im Bereich Frankfurt liegen besondere Umstände vor, die eine unmittelbare und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit begründen. Die BAB 5 in diesem Bereich ist ein hochfrequentierter Abschnitt und gehört zu den meistbefahrenen Straßen Deutschlands. Auch an Sonn- und Feiertagen, wie dem geplanten Versammlungstag, ist das Verkehrsaufkommen erheblich. Für den relevanten Abschnitt wurden an einem Standardsonntag zwischen 12:00 und 15:00 Uhr 4.500 bis über 5.000 Kfz pro Stunde und ca. 108 bis 144 LKWs pro Stunde ermittelt. Eine Vollsperrung der BAB 5 in Fahrtrichtung Norden wäre für mindestens zwei bis vier Stunden erforderlich, beginnend bereits am Frankfurter Kreuz. Zudem müssten eine Teilsperrung der Richtungsfahrbahn Süden und Geschwindigkeitsbegrenzungen zur Absicherung erfolgen. Der Verkehr müsste großräumig über deutlich längere Umleitungsstrecken (z.B. BAB 3, BAB 661, BAB 66) umgeleitet werden, was eine komplexe Steuerung des Verkehrsflusses erfordert. Die massiven Verkehrsbeeinträchtigungen, insbesondere durch Staubildung und das damit einhergehende erhöhte Unfallrisiko auf einer der meistbefahrenen Autobahnen Deutschlands sowie auf den nicht ausreichend leistungsfähigen Umleitungsstrecken, können auch durch mildere Mittel als die verfügten Beschränkungen und die Anordnung einer Alternativroute nicht effektiv und vollständig abgewendet werden. Die Schutzwürdigkeit der gefährdeten Rechtsgüter von Verfassungsrang (insbesondere Leben und körperliche Unversehrtheit der Verkehrsteilnehmer) gebietet die getroffenen Maßnahmen. Die von Seiten des Ortsbeirats vorgebrachte Befürchtung, die verfügte Alternativroute lasse "keinerlei Verbindung mit der Autobahn und dem Eröffnungsdatum 1935 sowie der antifaschistischen Aktion Gehms mehr erkennen", ist unzutreffend. Vielmehr wurde bei der Wahl der Alternativroute ausdrücklich darauf geachtet, den symbolischen Bezug und die Sichtbarkeit des Protests zu wahren, ohne die öffentliche Sicherheit zu gefährden. Im Rahmen des Kooperationsgesprächs wurde dem Anmelder durch die Versammlungsbehörde zudem die Möglichkeit eingeräumt, für den Fall einer behördlichen Untersagung der Versammlung auf der BAB 5 eine alternative Streckenführung vorzuschlagen, die dem Versammlungszweck unter Berücksichtigung der behördlichen Bedenken bestmöglich gerecht werden könnte. Dieses Angebot wurde durch den Anmelder abgelehnt. Die verfügte Alternativroute ermöglicht: Die Auftaktkundgebung am Markierungsstein "Spatenstich des ersten Teilstücks der Autobahn" (Höhe Schwanheimer Ufer), einem Ort, der den historischen Bezug zum Anliegen der Autobahneröffnung im Jahr 1935 unmittelbar herstellt. Dieser Ort befindet sich bewusst in unmittelbarer Nähe zur BAB 5/Europabrücke. Die Zuführung zur Auftaktkundgebung über den Fußweg der Europabrücke (von Sammelpunkt Griesheim kommend), wodurch ein direkter physischer Bezug zum Bauwerk der Europabrücke und somit zur Autobahn selbst hergestellt wird. Die Abschlusskundgebung am Griesheimer Stadtweg, kurz vor der Europabrücke, welche sich ebenfalls in Sicht- und Hörweite der BAB 5 befindet. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem rechtskräftigen Beschluss vom 27. September 2024 (Az.: 8 B 1843/24) die Möglichkeit, einen Versammlungsort in Sicht- und Hörweite des ursprünglich geplanten Versammlungsorts auf der BAB 5 zu nutzen, als milderndes Element und Ausdruck der Wahrung des Versammlungszwecks bewertet. Dies unterstreicht, dass die verfügte Alternativroute dem Versammlungszweck der Kundgabe am und zum Ort des Geschehens gerecht wird und weiterhin einen relevanten räumlichen Bezug zur BAB 5 ermöglicht, ohne die mit der Begehung der Autobahnfläche verbundenen unverhältnismäßigen Gefahren zu schaffen. Die Versammlungsbehörde nimmt die Bedeutung des von den Anmeldern angeführten historischen Kontextes, insbesondere die Ehrung von Ludwig Gehm und weiterer Antifaschisten sowie den Bezug zum 90. Jahrestag der Eröffnung des Autobahnteilstücks am 19. Mai 1935, ausdrücklich zur Kenntnis. Dieser Wunsch nach einem symbolischen Bezug zum historischen Ereignis und zum Anliegen des Protests gegen den "Autowahn" wurde bei der Abwägung der Routenwahl berücksichtigt. Die in der verfügten Alternativroute gewählten Orte der Auftakt- und Abschlusskundgebung, insbesondere der "Markierungsstein Spatenstich des ersten Teilstücks der Autobahn" und die Nähe zur Europabrücke, ermöglichen weiterhin einen deutlichen räumlichen und thematischen Bezug zur Geschichte der Autobahn und zum Protest. Die verfügte Route wurde somit unter Berücksichtigung des angemeldeten Zwecks der Versammlung gewählt, um der Möglichkeit der Meinungsäußerung unter Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der Anmelder so weit wie möglich Rechnung zu tragen, ohne dabei die unvermeidbaren und erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Kauf zu nehmen, die mit einer Begehung der BAB 5 verbunden gewesen wären. Es wird darauf hingewiesen, dass die rein symbolische Bedeutung eines Datums oder Ortes, auch wenn sie aus der Perspektive der Anmelder als gewichtig empfunden wird, in der rechtlichen Abwägung nicht die objektive Gefahrenprognose für Leben und Gesundheit unbeteiligter Dritter überwinden kann. Dies gilt insbesondere für die Nutzung einer Hochleistungsautobahn, deren primärer Zweck dem fließenden Verkehr dient. Die von der Bürgerinitiative im Rahmen ihrer Begründung vorgebrachten Argumente bezüglich der Notwendigkeit und der Folgen der A 5-Erweiterung sind Anliegen der politischen Willensbildung und Gegenstand des versammlungsrechtlich geschützten Protests. Die Versammlungsbehörde betont jedoch ausdrücklich, dass die Sachprüfung dieser Argumente nicht zu ihren Aufgaben gehört und keinerlei Einfluss auf die versammlungsrechtliche Entscheidung hatte. Die behördliche Entscheidung über die Beschränkungsverfügung beruht ausschließlich auf der nachvollziehbaren und gerichtlich bestätigten Gefahrenprognose für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Falle einer Begehung der Bundesautobahn. Im Rahmen der nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz vorzunehmenden Abwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der effektiven Gefahrenabwehr und dem Schutz der genannten Rechtsgüter das private Interesse des Veranstalters an der Durchführung der Versammlung auf der ursprünglich geplanten, hochgefährlichen Route auf der BAB 5. Die verfügte Routenänderung erweist sich vor diesem Hintergrund nicht als unangemessener Eingriff in die Versammlungsfreiheit, da sie erforderlich und verhältnismäßig ist, um die unmittelbare und erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abzuwenden. Die Anordnung dient der Aufrechterhaltung eines störungs- und gefahrenfreien Versammlungsverlaufs auf der verfügten Alternativroute sowie der Abwehr der mit der ursprünglichen Routenplanung verbundenen erheblichen Gefahren für die Allgemeinheit.